Mittwoch, 26. März 2014

durch schneiden er leben

Der Tag.
Wie lange warte ich bereits auf diesen Tag!
Immer wieder aus Faulheit vor mir hergeschoben wird es heute endlich wahr.
Ich trenne mich. Äh, Dr. V. trennt mich. Durch. Ab von meiner Zeugungsfähigkeit. Ab davon das ER Leben geben kann. Schnitt, durch. Neues Leben. Ein neuer Abschnitt beginnt für IHN.

Rose ist nervös.
Zwar fällt mir mein Brot aus der Hand, lasse ich Messer oder Löffel fallen und greife bei meiner Tasse daneben aber mir scheint bereits beim Frühstück Rose ist nervös und ich bin ruhig.
Zwar dappig, doch verschwende ich keinen einzigen Gedanken daran was heute kommt. Ich denke voraus. Wann backe ich was? Was kochen, was grillen, was für den Brunch?

Auf dem Weg zu Dr. V. ist ein großes Einrichtungshaus und ich lasse mir die Chance nicht nehmen hineinzugehen. Rose stürmt geradezu hindurch. Noch nie habe ich diese Hektik bei ihr erlebt. Von uns beiden bin ich gerade der ruhende Pol, der bremst und schlendet und schaut. Wir haben doch Zeit.

Bei Dr. V.
Vor dem Eingang steht eine Frau. Mit Kind. Vor dem Ärztehaus. Ich lasse sie vor. Immerhin wird sie nicht zum Männerarzt gehen. Obwohl... Nein, nicht mit Mädchen an ihrer Hand.
Wie falsch ich lag zeigte sich wenig später am Empfang.
"Er ist schon da" wird sie hinter mir begrüßt. "Hinten rum."
"Ich bin Paul. Ich habe einen Termin."
"Ja. Sind sie rasierte?"
'Seit vier Jahren. Jeden Tag!' Ich antworte mit "ja".

"Gut, dann nehmen sie noch Platz, der Doktor wird noch mit ihnen sprechen."
Ich setzt mich ins Wartezimmer. Rose liest, neben ihr spielt das Kind von gerade eben, so setze ich mich etwas entfernt auf den nächsten freien Platz.
Ein junger Mann kommt vorbei, begrüßt seine Frau und das Kind um frisch rasiert zum Doc ins Sprechzimmer zu gehen.
'Aha! Noch vor mir dran. Mal schauen was passiert.'
Es dauert nicht lange und er kommt heraus. Breit grinsend, den Daumen nach oben wird er in den nächsten Raum geführt: Patientschleuse.
Gleich darauf erscheint ein kleinerer Mann, ca. 1.73 in blauer OP-Kleidung mit Mundschutz und geht durch eine Schiebetür: OP.

"Hey" stupst mich Rose an, "ich habe dich gar nicht bemerkt."
War sie so sehr ins Gespräch mit dem Mädchen vertieft, dass sie mich nicht bemerkt hat?
Rose, letzte Chance. Danach kannst du keines mehr von mir erwarten...
"Ich habe mich schon gewundert wo du bleibst. Wie geht es dir?"
"Gut. Ich warte."
"Nicht nervös?"
"Nicht so wie du."
"Ich? Wie kommst du darauf?"
Ich merke es ihr an. Noch vor meiner Antwort vernehme ich ein leises "Paul".
"Ja". Ich stehe auf und folge ins Sprechzimmer.
"Bitte nehmen sie auf dem schwarzen Stuhl Platz. Der Doktor kommt gleich.
Der weiße Schemel steht vor einem PC, zwei schwarze Lehnstühle auf der anderen Seite des Tisches. Wie oft sitzt hier jemand falsch? Auf dem Tisch liegt ein Formular. Mein Name steht oben, ich lese es gleich.

Einverständniserklärung

Nochmals? Meine bisherige ist hinten angetakert. Auch die Telefonnotiz von Dr. V.
Wurde telefonisch am... beraten. Ist endgültig... Nochmals reichlich Zeit zu überlegen... Eine OP, also mit Risiken... Wurde belehrt...
Soll ich gleich unterschreiben?

"Hallo. Dr. V." stellt er sich vor.
OP-Kittel, Maske. Das war er vorhin.
"Hallo, ich bin Paul."
"So, seit unserem Telefonat hatten sie Zeit sich nochmals Gedanken zu machen. Hat ihnen die Zeit gereicht, haben sie noch Fragen?"
"Die Entscheidung steht seit viele Jahre. Wegen mir kann's losgehen."
"Na dann" meint er und lässt mich unterschreiben, "dann nehmen sie bitte nochmal im Wartezimmer Platz."

So weit komme ich nicht. Bereits an der Schleuse werde ich angefangen.
"Bitte alles ausziehen. Socken und Hemd dürfen sie anbehalten. Hier ist ein Schließfach und da nehmen sie sich ein Handtuch und wickeln es wie ein Badetuch um. Die Kollegin holt sie dann ab."

Zwei Minuten später liege ich auf dem Tisch. Zwei Hände betasten den Beutel, suchen die Leitungen und Stränge um mit einem "Kein Problem" der OP-Schwester zu sagen es geht los.

Nun denn...
Erst räumt er auf.
"Der hier muss mal weg."
Dabei hebt er IHN an, macht und biegt und -äh?- zerrt an IHM und meint:
"Das Hemd bitte noch etwas hoch."
Ich folge seiner Anweisung und blicke kurz nach unten. Gerade ist der Doc dabei, eine OP-Klemme an meinem Hemd zu befestigen, an deren Griff ein dicker roter Gummiring befestigt ist.
Der wiederum schnürt sich unter SEINEN Kopf.
'Vierhundert Euro und zerquetschte, um mich mit Haushaltsgegenständen unfruchtbar zu machen' geht es mir durch mein Hirn. Am Besten, ich schalte ab.

"Jetzt tut es vielleicht weh."
'No Needle' fällt mir dabei ein. Das Verfahren, in dem das Betäubungsmittel ohne Nadel 'Au - es piekst!' genau ohne die, mit Druck durch die Haut an den Ort des Geschehens gebracht wird. Ich habe aber nur 'Non scalpel'. Wo nur mit der Nadel... Das hatte ich schon.
"Spüren sie was?"
"Sollte ich?" Hallo Paul! Der Doc hat dich gerade an den ... Da solltest du eine Frage nicht mit einer Gegenfrage beantworten: "Nein."
"Gut. Sie sollten inzwischen nichts mehr spüren."
Aha, alles im Plan.

Er desinfiziert sich ausgiebig die Hände und schlüpft in zwei frisch entnommene Handschuhe, nimmt einen Tupfer und bemalt alles was rund um rz-chen liegt mit seiner braunen Tunke.
Danach kommt eine sterile Folie mit Löchlein drin, die er über rz-chen legt, durch das er die Bälle zieht, nun etwas nimmt das nach Schere aussieht, jedoch ein balliges Ende hat...
Ich schaue weg.

Der Rest ist schnell erzählt.
Die OP-Lampe besitzt drei Spiegel. Sie spendet helles Licht. Energiesparbirnen scheinen das nicht zu sein.
Die Decke ist mit quadratischen Kacheln bedeckt. Zwischen zwei normalen ist immer eine Kachel Platz, für Licht oder Luft. Das wechselt ab. Die Lichter sind jeweils drei Leuchtstoffröhren. Unter ihnen ist ein Blendschutz angebracht. Es gibt davon insgesammt Neun. Mal drei Röhren macht dann Siebenundzwanzig. Dazu die drei Stahler macht zusammen Dreißig Lichter im OP. Ja, hier ist es hell. Schlafen könnte ich hier nicht. Aber entspannt da liegen, während unten ein Mann "so, das war's. Wie geht's" zu mir sagt.
"Spüren sie was?"
"Nein?" frage ich irritiert.
Traut er seiner Betäubung nicht?

"Johanna, Band."
Die Schwerster kommt mit einem Klebestreifen an.
"Zu lang. In der Mitte durch."
Krass!
Anstatt lange mit einem Verband zu hantieren legt der Doc nur eine Tamponade darauf, schlägt sie in die Beutelhaut ein und verklebt es dann.
Ich habe keine Ahnung, wie groß das Loch im Beutel ist, ahne aber, es ist zu, abgedeckt, versteckt, verklebt. Gut versorgt. Was will ich den bei Vierhundert Eus erwarten.
"Sie können sich mit dem Handtuch abputzen und anziehen."
"Gibt es etwas zu beachten?"
"Wir sehen uns draußen nochmal.'
"Ah ja."
Ich ziehe mich an und setzte mich zu Rose. Sie ist allein.
"Wie war's? Ging ja schnell."
" Wie lange?"
Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, zum eigentlichen Termin sind gerade einmal Fünfundzwanzig Minuten vergangen.
"Erst hat der Doc rz-chen ein Gummiband um den Hals gelegt und daran aufgehängt. Dann hat er mich braun angemalt, mich gepiekst und als er mich fragte ob ich was spüre habe ich mir die Deckeneinrichtung angeschaut."
"Och, mein Armer."
Rose weiß, wie wenig mich OP-Szenen interessieren. Für mich zählt das Ergebnis, aber nicht deren Anatomie.
"Ich muss gleich nochmal rein zum Doc."
"Ja, frag ihn mal wie das mit Grillen ist. Das findet schließlich auf SEINER Höhe statt."
"Ja mach ich."
Und wie auf's Stichwort ruft es: "Paul".

Im Sprechzimmer bekomme ich eine Tüte überreicht. Zwei Röhrchen, zwei Briefkuvers und ein Becher.
"Nach acht Wochen brauchen wir eine Probe von ihnen. Die entnehmen sie hiermit."
Sie zeigt mir den Becher.
"Die füllen sie dann in ein Röhrchen und senden es uns zu. Die Umschläge sind bereits beschriftet. Nach zwölf Wochen brauchen wir eine zweite Probe."
Wow, zwei mal in zwölf Wochen. Wenn ich nicht wüsste, dass in den ersten Acht bereits geleert werden muss...

"Hier haben wir noch eine anonyme Umfrage. Die werfen sie dann in die Box. Dr. V. kommt gleich zu ihnen."
Anonym?
Ein Schukarton auf dem in weiß auf Schwarz steht: Anonyme Umfrage hier einwerfen.
Den Karton kann ich öffnen. Er ist leer. Wo ist die von dem jungen Mann direkt vor mir?
Und dann die Einleitung auf der Umfrage:
Datum:
Initialen:
Geburtsdatum:
Ich lache und fülle alles aus.


"Wenn sie das Ergebnis der ersten Probe wissen wollen müssen sie uns anrufen' erklärt mir kurz danach Dr. V.
"Das Ergebnis der zweiten Probe erhalten sie per Post. Zeugungsunfähig sind sie, wenn das Ergebnis zweier aufeinander folgender Untersuchungen negativ ist. Noch Fragen?"
"Ja, sie sagten kein Verkehr. Wie ist das mit Errektionen?"
"Die können sie eh nicht verhindern."
Liest er meinen Blog?
"Es geht um die Erschütterungen. Die mechanische Belastung kann zum Aufgehen führen."
"Und wie ist das mit grillen?"
Er schaut mich verwundert an.
"Wir haben am Samstag Gäste. Meine Frau hat Bedenken, dass ich nicht am Grill stehen kann, weil es auf SEINER Höhe heiß wird."
"Mit was die Frauen sich beschäftigen... Kein Problem."
"Gut, dann danke."

Bleibt noch ein Letztes für mich zu tun.
Seit dem 07.01.2002 bin ich im Besitz eines 500€ Scheines. Ab heute nun gewesen.
Ich durfte ihn nun seiner eigentlichen Bestimmungen überführen und meine Unfruchtbarkeit bezahlen.

Was bleibt ist Wechselgeld sowie ein tamponierter Beutel, bei dem ich nicht entscheiden kann was gerade da unten drückt.

Ich warte einfach bis zum nächsten Tag.
Mir bliebe später genügend Zeit sich Sorgen zu machen.


Vom Rosenzüchtling

P.S.
Somit endet mein Projekt V.
Rose kann mit der Leerung beginnen.

4 Kommentare:

  1. Ich gratuliere und begrüße Dich im Kreis der Unfruchtbaren :) Diesen Weg beschritt ich ebenfalls, nun bereits vor mehr vier Jahren. Ich habe es nie bereut und Nachteile gibt es nicht - im Gegenteil. Der Unterschied zu dir war nur, dass ich es unter richtiger Narkose machen lies und drei Proben später abgeben musste - so unterschiedlich ist der Norden zum Süden. Schmerzen hatte ich danach nicht, bis auf ein kleines zwicken der Naht auf der rechten Seite. Nach gut einer Woche war alles so gut verheilt, das man meinen konnte, das nie etwas gewesen sei. Ich wünsche dir ebenfalls eine gute Heilung und einen nun sorgenfreien Geschlechtsverkehr :)

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    1. Wie weit im Norden lebst du, wenn ich eine Deutung deines Namens zu Grunde lege :-D
      Über die Heilung mache ich mir keine Sorgen, das macht mein Körper von alleine,
      wobei der sorgenfreie wie auch grundsätzliche Verkehr lange auf sich warten lässt.
      Ist das nicht schön warten zu dürfen ohne etwas daran ändern zu können :)

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  2. Gratulation :-)

    Ab sofort leben sie im dunklen Kerker *gggggggggggg ohne Licht

    Ohne Hoffnung, da jemals wieder rauszukommen *hihi

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    1. Du meinst, ich habe jetzt ein paar richtige subs unter mir?

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