Freitag, 2. Oktober 2015

Veränderung

Ich kann mich nicht erinnern jemals so eine Veränderung erlebt zu haben.

Bis jetzt ging alles schleichend.
Es deutete sich etwas an oder es wurde geplant.
Oder es dauerte bis etwas geschah.

Lange war ich mit Blume zusammen.
Ihre Frage "Willst Du mich heiraten war bereits Konsequenz.
"Ich bin schwanger" nur eine Frage der Zeit
und die Geburt der Kids ließ uns jedes Mal Monate Zeit.

Ein neuer Job heißt sich bewerben, auf die Entscheidung zu warten. Dann kündigen, den Job übergebe und etwas später im neuen zu starten.
Nichts was von heute auf Morgen geschieht.

Kinder wachsen langsam. Sie wechseln die Schulen und werden groß um irgendwann volljährig zu sein. Es folgt die Entscheidung fürs Leben.
Was will ich werden? Soll ich studieren?
Auch bei ihnen  heißt es bewerben und warten, um dann wieder später in die Ferne zu ziehen.

Meine Lady hat mir drei wunderbare Jungen geschenkt.
Sie hat sie gesäugt, dann genährt und gut erzogen. Ich habe zwar geholfen dabei aber nur das nötigste gemacht.
Vor vier Jahren verließ der Erste das Haus.
War nicht so schlimm. Uns blieben noch Zwei.
Zu Monatsbeginn wollte der Mittlere gehen.
Kenne ich schon. Wird wie beim Ersten.
So dachte ich mir.

Aber die Stimmung im Vorfeld war anders. Es ist nicht zu erklären woran es liegt aber es wirkt entgültiger. Sein Ausbildungsort scheint nicht so erreichbar.
Und in dem Moment als er in den Zug einsteigt wird mir völlig bewusst:

Er ist weg.
Ausgezogen aus der Wohnung.
Raus aus unserem Leben.

Ich weiß, es wird noch lange dauern bis er sein Nest komplett aufgibt. Er wird es noch brauchen, noch oft belegen.
Aber er wird dann auch ein anderer sein.
Erwachsen.

Ein Mann.
Von jetzt auf gleich.
Seit...

Schon seit betreten des Zuges.


Vom Rosenzüchtling

Abgefahren

"Hier ist dein Wagen" zeige ich auf die Nummer Vier.
"Danke. Tschüß", das war's.
Das Kid steigt ein. Geht einfach so. Dreht nicht einmal den Kopf.

Ich hatte mir den Abschied nicht vorstellen wollen.
Aber so einfach, so schnell? Das war's?

Vor Zwei Minuten noch bevor der Zug einfuhr hatte ich es in meinem Arm.
"Mache es gut. Ich wünsche dir eine gute Zeit.
Pass auf dich auf.
Und mach keinen Scheiß."
Tausende Dinge rasen durch meinen Kopf.
Schelmereien, Ratschläge, Weisheit für sein Leben. Aber zuerst fehlen die Worte.
Dann, als sie da sind, weiß ich es ist besser:
'Schnauze, lass ihn gehen'
Er wird lernen sein Leben zu Leben.

Zehn Sekunden Abschied. Fünf Sekunden Umarmung. Das war alles. Nun ist er weg.

Ich schaue durchs Fenster. Sein Platz ist gegenüber. Schon jetzt fühle ich die Distanz.
Der Abschied ist vorbei. Was soll jetzt noch kommen?
Ein kurzer Pfiff. Der Zug fährt an.
Winken? Wir haben uns schon verabschiedet.
Spätestens als er den Wagen betrat hatte er sich von uns gelöst.
Der da drin sitzt, das Kind von uns.
Nie wieder wird er so sein wie jetzt.

Er zieht in die Ferne.
Hunderte Kilometer werden zwischen uns liegen.
Und kaum eine Möglichkeit kurz mal zu kommen.
Wann sehen wir ihn wieder? Drei? Sechs Wochen?

Der Zug ist weg.
Mit ihm unser Kid. Wir drehen uns ab und gehen.
Eine Stunde Heimfahrt. Fast eine Stunde schweigen. Wir reden nicht darüber. Jeder hat seine Gedanken. Jeder seine Ängste. Keiner will sie teilen.
Was, wenn Rose daran nicht gedacht, wenn ihre Sorgen wachsen wenn sie von meinen erfährt?
Wir wollen uns schützen. Jeder den anderen. Darum bleibt jeder für sich. Jeder mit ungeteilten Gedanken.
Es wird dauern bis das Kid sich meldet.
"Samstag vielleicht, eher Sonntag" sage ich zu Rose.
"Damit rechne ich auch."


Das Haus wird leerer. Ein Zimmer mehr frei.


Vom Rosenzüchtling