Sonntag, 26. Juli 2015

Dahinter

"Paul"
Ich stehe im Mädchenzimmer und schaue zur Lady. Sie steht im Flur, direkt vor der Türe zum Bad.
"Ja" antworte ich und zeige ihr damit da bin ich nicht drin
"Dein Schwager will noch einen Wein. Welchen soll ich ihm geben" sagt sie noch immer zur Türe gewandt.
"Ich bin gleich so weit."
Gleich ist die Wäsche zusammengelegt, dann kümmere ich mich wieder um Roses Gäste.
"Nein, ist in Ordnung" spricht sie erneut durch die Türe.
Heute ist sie gut drauf. Die Gäste haben Spaß und nun behält sie den kleinen Fauxpas einfach bei, sich weiter von mir abzuwenden.
"Können wir den nehmen, der in der Küche steht?"
Ich finde es lustig, wie viel Mühe sie sich inzwischen gibt. Immer wieder dreht sich ihr Kopf, mal mit dem Mund, mal mit dem Ohr in Richtung der Türe. Sie zieht da jetzt durch. Respekt. Dabei weiß sie inzwischen genau von wo her meine Stimme kommt.
"Gut, dann lass dir ruhig Zeit."
"Nein, ich komme gleich mit" antworte ich und lege das Handtuch aus meinen Händen.

Als Rose sich dreht und mich entdeckt zuckt sie zusammen.
Ähhh, hatte sie mich wirklich hinter der Türe vermutet...?

"Das gibt Ärger!"
"Was...?" Ich habe doch gar nichts gemacht. Ich stand nur da, habe ihr geantwortet und nicht einmal gemerkt, dass sie es nicht bemerkt.
"Komm du mir heute Nacht nur ins Bett!"
"Gerne Lady" freue ich mich, freut ER sich schon darauf.
Doch ob was kommt? Der Abend ist noch lang.

"Könnt ihr euch vorstellen... Lässt mich der Kerl durch die Türe hindurch mit ihm reden und steht dabei hinter mir" gibt Rose im Garten zum Besten.
"Das gibt noch was" deutet sie an, "der soll mir nur ins Bett kommen."
Während alle Anwesenden lachen bleibe ich lieber im Haus.

Es braucht nicht jeder zu sehen, wie sehr WIR Zwei uns darüber freuen.
Ich öffnen den Wein, warte bis er atmet, ER Sauerstoff bekommt und gehe dann mit gesenktem Haupt zu meinem Schwager.
Er schaut mich nur an und grinst.

"Ach weißt du, was macht man nicht alles damit im Schlafzimmer was passiert."
"Joh! Jetzt erzähl mir bloß nicht, dass ihr so etwas braucht."
Ich grinse nur und er versteht.

... versteht immer noch nicht, wie ernst es ist.
Wie sehr wir uns auf ihr "Das gibt noch was" freuen.

Doch J. sieht das anders.
Kaum appe ich ihm was Rose sagte schon kamen Bedenken:
... ist das nicht zu Laut, bei all den Kids.



Mal sehen.
Bis jetzt hat meine Lady immer eine Möglichkeit gefunden.


Vom Rosenzüchtling

Geburtstagscrasher

So etwas wie vor zwei Jahren sollte es nicht mehr geben.

Geburtstag der Lady, alles ist Vorbereitet, die Gäste kommen.
Als Letztes kommt Roses Neffe.
Mit Kühlbox und Sekt:
"Stellt mal kalt."

"Nein. NEIN! Das darf nicht sein!" ahnte Rose sofort was heute kommt.

"Wir sind verlobt" verkündet er Minuten später - Geburtstag vorbei!


So etwas sollte es nicht noch einmal geben, dass irgendjemand Roses Geburtstag als Bühne nimmt um sich selber in den Vordergrund zu bringen.
NICHT noch mal!

Im Jahr darauf entschied sich Rose nicht zu feiern. Das nächste Wochenende ist die Hochzeit des Neffens.
"Weist du was, wir sparen das Geld. Es hat sowieso jeder etwas anderes im Kopf. Und sie werden sowieso nur über das Eine reden.
Ich habe keine Lust nochmals so etwas zu erleben.
Das ist mein Tag."

Zumindest bei uns.
Es kann nicht sein, dass alle kommen, bei uns essen, bei uns trinken und sich niemand für Rose interessiert, es um jemand ganz anderes geht.


Ich war darauf vorbereitet.
Ich wollte jedem der ihren Geburtstag zur Bühne nutzt sofort sagen warum sie hier zusammengekommen sind.
Und wenn -was ich hoffte- das Thema auf die Hochzeit vom Jahr davor kommt, gerne:
"Ihr habt damit schon einen Geburtstag von Rose versaut" stoße ich alle mit der Nase voll hinein.
Familienfrieden hin oder her.
Die Lady hat damals gelitten.
Nie wieder soll das nochmals so sein.

Am Geburstagsmorgen, kurz nach acht, per WhatsApp ein früher Gruß:
... wunderschönen Morgen...
... Glückwunsch zum Geburtstag.
... alles Gute.

Mit Sternen und Herzen, mit Glücksklee und Küssen. Dazu Geschenken und Blumen.
So super gemacht, ich freute mich mit.
Und darauf drauf kam eine Nachricht von anderer Seite:
Sitze beim Arzt. Radiologisch. Muss warten. Bin durch den Wind.
Ich dachte ich spinne.
Kein Gruß zum Geburtstag.
Im Gegenteil.
Selten, wie oft man sich meldet aber dann gleich mal Glückwünsche crashen. Am Liebsten hätte ich jetzt geschrieben!
... um dem ein Podium zu geben? Auf keinen Fall.

Es ist doch interessant.
Anstelle einem Menschen zum Geburtstag zu gratulieren wird erzählt wie es einem selber ergeht.
Das man wartet, nicht weiß wie es einem geht, was ist, und erst viel später die Diagnose erfährt.

Jedoch scheint die längst nicht so wichtig zu sein, denn...
Die Info was es ist bleibt aus.
Ach ja, der Glückwunsch zum Geburtstag wird drei Stunden später kurz als Nebensatz erwähnt.

Ich frage mich nur,
bemerken all diese Crasher wie egoistisch sie sind?
Ist es für sie normal?
Bekommen die von niemandem Gegenwind?

Meine Lady hat gefeiert.
Sie ist alt genug und weise über solche Menschen hinweg zu sehen.
Sie lebt ihr Leben. Sie schaut nach uns Fünf.

Jedoch bei jemandem in die Feier zu platzen...
Das wird sie nie können.


Vom Rosenzüchtling