Samstag, 22. August 2015

Es geht ab

"Oh nein!"
Ein Schreck am Morgen. Nach Vier Tagen löst es sich ab.
Das Tattoo sitzt nicht tief, lag nur auf, hängt herunter an mir wie ein Abziehbild!

Das kann nicht sein.
Was ist das bloß?

Halb in Panik schaue ich nochmals
und denke auch mit.

"Am Anfang kommt Schmodder.
Restliche Farbe, es nässt. Vermischt auch mit Blut."
Gut, das war am Mittwoch Morgen.
Den Schmodder wusch ich beim Duschen in dicken Flocken herunter.
Danach war ich sauber.
Das Gleiche nochmals am Abend nach meinem Training.
Doch bereits ab Donnerstag Morgen bleib es auch sauber.
Zwar noch leicht geschwollen.
Doch kein Nässen, weder Farbe noch Flocken und niemals Spuren von Blut.

Ich war begeistert von meiner Stylistin.
Perfekt gemacht.

Dann am Samstag morgen.
Ich denke an die Stylistin
"Nach ein paar Tagen wird sich deine Haut schälen.
Das ist nicht anders als bei einem Sonnenbrand."
'Ja ne. Is' schon klar.'
Auch beim Sonnenbrand geht mit der Haut die rote Stelle ab.
Darunter dann die frische Haut, jungfräulich, frisch gebildet.
Und vor allem gar nicht schwarz.

Hier ein Fetzen, dort ein Fetzen. Nicht mal so dick wie Reispapier.
Kurze Schnippen, kleine Ecken, das Längste gerade mal sechs Millimeter lang.
Aber genau ganz vorne, die erste Linie - ich schaue von oben - da ist ein Streifen
der sich löst.

Das kann nicht sein.
Das darf nicht sein.

Wie bitte bitte soll da gehen?

Ich schaue nach, bewege den Fetzen und sehe tatsächlich die Linie wackeln.
'Oh nein, oh nein.' Ich bin in Panik.
Das kann nicht sein, das geht doch gar nicht.

Schnell renne ich zum Smartphone, schaue nach den Fotos und stelle fest:
Die Ecke die sich löst
gehört dort hin.
Buh, bin ich froh.

Was mir von Beginn an an der Rose gefiel ist die obere Blüte mit der mittleren Ecke.
Nicht glatt und rund und flach gezogen sondern ebenso kantig wie die Natur.
Genau an dieser Stelle hat die Stylistin sich bei dem Entwerfen schon Mühe gegeben.
Das ist kein Fehler.
Das Eck ist gewollt.

Aber genau an dieser Stelle stand ein Fetzen nach oben,
Ein Lappen der Haut, der wenn bewegt so aussieht als liege das Schwarz darauf.
Als biege ich nun die Linie auf, als verändere ich die Blüte und löse sie ab.

Nein nein. Mit dem Tattoo ist alles in Ordnung.
Das war nur Panik, weil ungewohnt.

"Was ist" fragt Rose mich zwei Stunden später.
Das Frühstück ist beendet, nun kuscheln wir noch.
Sie will deutlich mehr, das ist zu spüren.
Aber mein kurzes Zögern macht sie stutzig.
So erzähle ich ihr von dem Schälen, meiner Panik.
Aber dass doch nichts ist.
"War falscher Alarm."
Sie schiebt mich nach hinten schaut es sich an.
"Ach Zögling. Du bist so lustig" grinst sie mich an.
"Aber dann ist es besser deine Haut zu schonen.
Los raus. Wir stehen auf."



Vom Rosenzüchtling

Donnerstag, 20. August 2015

Grey shade pain

"Weiter geht es. Kannst du noch?"
"Klar" - das fragt sie mich?
Da hält meine Stylistin einen Dauerbrumvibriernadler in ihrer Hand, es ist weit nach Neun Uhr Abends und sie fragt mich ob ich noch kann?

Naja, so unrecht hat sie nicht. Immerhin habe ich schon über tausend Stichen erhalten, sind Nadeln durch meine Haut gedrungen, wurden inzwischen dutzende Linien gezogen bin ich gezeichnet. Für alle Zeit.
"Jetzt kommen die Schattierungen" erklärt sie mir während sie eine neue Nadel aus der sterilen Folie entnimmt.
An deren Ende zähle ich Fünf.
"Was schmerzt mehr? Die Konturen oder das Füllen?"
"Es kommt darauf an."
Ich bekomme erklärt, das dieses Mal fünf Nadel auf einmal meine Haut durchdringen um das Schwarz und Grau darunter zu treiben. Nur nicht so tief.
"Die Einen empfinden dies die Anderen das schlimmer."
"Habe verstanden. Gleich weiß ich es."
Dreißig bis fünfzig Mal gehen die Nadeln nach vorne, fünf Nadeln dringen auf Einmal ein. Hundertfünfzig bis Zweihundertfünfzig Stiche pro Sekunde. Und das viele Minuten lang.
Meine Stylistin beginnt.

Es pikt. Der Schmerz ist da. Viel auf ein Mal, auf kleinen Punkt, Dicht an Dicht.
"Es geht. So wie zuletzt" kommentiere ich den Schmerz.
"Es ist, als ob mein Körper sich nicht entscheiden kann auf welchen der fünf kleinen Pikse er reagieren soll. Das ist mehr ein Drücken mit Stichen hier und da."

Doch auf einmal wird mir bewusst wo sie sticht.
Die Blüte. Dort wo sie vor einer Stunde begann.
Dort wo der Schmerz am Größten war.
Dort wo ich mich konzentrierte, ich mich entspannte, wo ich versuchte den Schmerz zu ertragen.
Atme ein, atme aus, lasse los, schließe die Augen.
Ich fühle, wie meine Brust sich hebt, wie meine Lunge sich füllt. Atme aus, lasse die Luft heraus, ziehe meinen Brustkorb, meine Lungen zusammen und öffne die Augen.
Rose sitzt neben mir. Vom Stuhl aus schaut zu wie die Maschine über meine Seite gleitet um dort ihre Spuren zu hinterlassen. Ich schaue die andere Lady an, die konzentriert ihre Arbeit verfolgt, ihre Hand hebt, senkt, etwas bewegt und kurz pausiert um neues Schwarz aufzunehmen.
Schon geht es weiter.

Wieder ein Stich, weiter brummt die Maschine und erneut bohren sich die Nadeln durch meine Haut. Und der Schmerz geht tief. Direkt darunter scheint ein Nerv zu liegen. Mein Fuß zuckt, ein Zeh wippt und ich fühle den Nerv vibrieren.
'WOW!' Der Schmerz ist heftig. Die Nadeln dringen ein, gehen raus, schieben sich millimeterweise nach vorne um Stück für Stück ein Areal in grau-schattierten Schmerz zu wandeln.
'Jaaaa!'
DAS
TUT
WEH!

Nicht genug um zu schreien.
Gerade so viel die Augen zu schließen.
Zu atmen. Zu fühlen, wie meine Lungen sich füllen, wie sie sich leeren und mich auch darauf zu konzentrieren wie sich die Nadeln bewegen.
Hin - her, setzen ab neue Farbe aufzunehmen, weiter und weiter, bis...

Der Druck nimmt zu, die Stylisten drückt stärker, fester gegen meine Haut. Nach dem was ich in meiner ganzen Liegung mitbekommen habe ist sie gleich fertig. Die letzten Male bohren sich die Nadeln in mich hinein. Unter die Haut. Vier Sekunden, knapp Eintausend Mal.
Dann ist Schluss.

Mit einer Lösung tränkt sie ein Tuch um damit die Stelle zu reinigen.
Ich hebe den Kopf.
"JAH!" - Begeisterung.
"Ist das Toll."
"Scheit dir zu gefallen."

Scheint...? Die Rose, die ich gerade von oben her sehe hat Volumen, hat Fülle, Tiefe. Ich blicke zwischen die Blütenblätter, sehe den Raum, dimensional.
"Danke."
"Steh ruhig auf und schau es dir an."
Kaum gesagt stehe ich - vor Rose.
Um ihr zu zeigen, was ihr gebührt.
Sie will ich ehren mit Form und Zeichen.
Will ihr Herz tragen, her RZ für immer sein.

"Gefällt es dir" werde ich gefragt.
"Ja. So sehr. Aber mir muss es nicht gefallen. Ich kann es ja nicht einmal lesen. Für mich ist es Spiegelverkehrt."
Die Ladies lachen.
"Es ist doch für Rose. Sie kann es sehen."
Erneut drehe ich mich zum Spiegel. Noch einmal schaue ich hinein, betrachte das Zeichen, ihr Zeichen.

Ist dies die Sucht?
Narzist zu sein. Vor dem Spiegel zu stehen?
Sich betrachtend um sich irgendwann danach zu sehnen von neuem Design geschmückt zu werden. Geschmückt zu sein.
Oder geht es um Schmerz? Immer wieder neu zu erleben? Neue Grenzen beschreiten? Sie auszuweiten?

"So. War clever an einer Stelle zu beginnen die so sehr schmerzt."
Die Stylistin schaut mich fragend an.
"Naja, es kann nicht schlimmer werden. Ein Arm oder der Rücken."
Sie lacht.
"Es gibt noch genug schlimme Stellen."

Mir hat es gereicht.
Ich wurde bestochen um nun das Zeichen meiner Lady, unserer Liebe zu tragen.

Es hat sich gelohnt.
Dank der Stylistin.
Dank ihrem Entwurf.


Vom Rosenzüchtling