Dienstag, 18. März 2014

Anruf

Mitten in der Besprechung klingelte mein Phone. Bevor irgendjemand dises Nogo erfasste stürze ich bereits hinaus.
Nummer? Name? Unbekannt.
Das konnte nur einer sein:
"Praxis Dr. V."
Naja, zumindest sein Praxisteam.
"Spreche ich mit Paul?"
"Ja."
"Sie haben uns den Informationsbogen zurück senden sollen...."
Deswegen ruft er nicht an. Die Post. Bei uns? Bei ihm? Was lief schief? Ich habe noch die Kopie. In sekundenschnelle rattert das alles durch.
"...was sie ja gemacht haben."
Was fehlt? Ein Kreuz, eine Antwort?
"Was jetzt noch fehlt..."
Ich wusste es. Ich wuss-te es!
"...ist noch das Gespräch mit Dr. V."
Strike!

"Wann sind sie zu erreichen? In der Mittagspause oder besser Abends?"
"Sowohl als auch" und ich gebe ihr die Zeiten.
"Wobei, abends sitze ich wahrscheinlich gerade im Bus."
"Wann?"
Ich lache, "so zwischen Vier bis Sieben. Es wird schon gehen."
Alleine die Vorstellung, welche Fragen er mir stellt während ich mitten im Gedränge (Werdie streikt) stehe - komisch, aber da will ich durch. Ich will den Termin, ich will das Gespräch. Und alles möglichst bald.
"Gut. Er ruft sie dann an. Wollen sie den Termin gleich ausmachen..."
Jajajajajaja
"...oder erst nach dem Gespräch."
"Gleich" antworte ich spontan.
"Wann geht es denn bei ihnen?"
"Wissen sie" beginne ich meine Situation zu schildern, "ich sitze hier und halte mir gerade meinen Terminkalender ans Ohr."
...an das nun ein Lachen der Arzthelfer dringt.

"Also, frei wäre hier. Und Dienstag die Woche drauf. Ansonsten erst wieder einen Monat später."
"Also am liebsten gleich den ersten Termin. Ich habe aber am Wochenende Gäste. Geht das bis dahin?"
"Müssen sie da schwer heben?"
Wie bitte empfängt man eine Lady ladyhaft an der Türe? Es mag nicht leicht sein, aber sicher nicht schwer in dem Sinne den sie mein.
"Nein" nur etwas backen und bewirten.
Nichts was Tage später nicht geht.
"Gut, dann haben wir jetzt den Termin. Der Doktor ruft sie dann heute noch an."
Heute? Klar, der Termin sitzt eng, da hat der Doc nicht mehr viel Zeit mich vorher zu erreichen.

Ich bedanke mich, schreibe Rose 'Termin steht. Nächste Woche, noch vor Zwölf' um breit grinsend in die Besprechung zurückzugehen.
Mein Phone? Das bleibt draussen.

Der nächste Anruf kommt frühestens in einer Stunde.


Vom Rosenzüchtling

Stumm

Rose schaut angestrengt als ich nach Hause komme.
"Kaffee?"
Sie nickt und geht nach draussen.

Zusätzliche Aufgaben in ihrem Job, die sie sich freiwillig aufbürden will. Eigentlich nicht schlecht, doch sie ahnt was langfristig daraus erwachsen kann.
Stress, Verantwortung und alles was es bringt ist selten Lob ja eher Streit weil ein anderer Ungerechtigkeit verspürt.
Ich weiß keinen Rat. Soll sie probieren ob es klappt und aussteigen wenn es nicht geht?
Wenn ich eines jetzt schon weiß, es kostet Zeit. Und das nicht knapp.

Was im Moment dazu kommt, sie findet keine Ablenkung mehr. Es scheint nur noch ein Thema zu geben. Forum, Mail, Whatsapp. Überall wird lamentiert. Aus, vorbei - Thema durch.
Es lähmt.
Es nervt.

"Komm, wir bringen das Spiel noch vorbei."
Etwas irritiert schaue ich auf das Kinderspiel auf unserem Tisch. Es ist alt und es gibt keinen Grund, es Abends um Sieben zum Großneffen zu bringen.
Die Lady will, wir gehen hin.

Während sie mit ihrer Nichte spricht, sich mit ihrem Sohn unterhält und danach noch sein Schwesterchen hält rast mein Kopf.
'Ein Thema... Ich sollte schauen.'
Das Baby steht ihr gut. Rose strahlt.
So lange es nicht ihres sondern eines der Kindeskinder ist ist es gut. So lange sie will erfreut sie sich daran.
Dann gibt sie's ab.
Wir gehen Heim.

Endlich daheim stürze ich mich förmlich an den Rechner. Ich schaue, lese schreibe. Ich suche und kommentiere.
"Äh, Rose brauchst du was?"
"Nein."
Ich kann nicht verstehen, wie sich alles nur mit einem einzigen Thema beschäftigen kann. Und bin selbst drin. Auch ich mache mit.

Indes sitzt Rose stumm auf dem Sofa. Es läuft zwar ein Film, doch Rose scheint nicht wirklich beim Fernsehen zu sein.
Es wird Zeit, sich vom Rechner zu lösen damit ich mich endlich um meine Lady....
Um mich herum steht das Geschirr. Es ist gleich Neun. Noch kein Vesper gemacht.
Wieder vergehen rund zwanzig Minuten, bis ich endlich bei meiner Lady bin.

Ich suche ihre Nähe. Dabei sitze ich zu weit weg und bemerke auch deutlich, mit meiner Art komme ich heute nicht an sie ran.
Meine Gedanken rasen. Es muss doch eine Möglichkeit geben meine Gedanken neu zu fokussieren.
Schnell zurück an den Rechner. Ich schreibe.
Und Rose?
Die geht ins Bett.

Eine ganze Stunde später komme ich ins Bett.
Unter der Decke schiebe ich mich zu Rose, hebe etwas ihre Decke...
"Hm!"
...und rutsch wieder weg.

Erst beim Frühstück kapiere ich, wie alleine ich sie gelassen habe.
Ich teile meine Gedanken, ich schreibe. Aber alles nicht mit ihr.
Sie ist stumm. Was soll sie sagen wenn keiner da ist der zuhören mag.
Deshalb sind wir zur Neffin marschiert.
Sie wollte raus.
Brauchte Luft.
Jemand der sie auf andere Gedanken bringt.


Ich sollte es sein.
Ich war es nicht.
Ich war nur stumm.


Vom Rosenzüchtling