Dienstag, 15. Oktober 2013

Nachtmusik

Seit Monaten lese ich bereits das selbe Buch. Zwar ist es gut geschrieben und unterhaltsam, aber worum ging es zu Beginn?
Wird Zeit, dass ich zum Ende komme.

Weit nach Dreiundzwanzig Uhr nahm ich das Buch, schob mich neben Rose, schlug es auf und suchte nach dem letztgelesenem Satz.
Roses Hand glitt suchend hinab. Aufopfernd streckte ER sich ihr entgegen. Dann die Berührung am Kopf, gleich darauf am Band, am Schaft den sie umschloss, nach unten zog, von IHM ließ, sich auf die Bälle legt, zupackt, rüttelt, aus dem Griff entlässt und ruhig auf dem Schaft zu liegen kommt.

SO habe ich keine Chance in dem Buchstabenwald Worte zu entziffern. Ich stöhne aus.
"Jetzt kannst du" sagt die Lady gönnerhaft, während ihre Finger auf ihrem Eigentum zu tippeln beginnen.
"Mit Begeisterung fieberte ich der nächsten Szene entgegen..."
Was für ein Beginn! Beim Lesen schmunzelte ich in mich hinein. Als Rose zu lachen begann beherrschte ich mich so weit es ging, las mit fröhlicher Stimme weiter, die mir gleich darauf versagt.

pitsch

Es war nur ein kleiner Schlag, mehr ein schnelles Auflegen der Finger als zum Schmerz verursachen gedacht. Ein sanfter Laut erklang, doch im Inneren schrillste es los. Das pitsch galt dem Ball, dem Glockengeläut und erfüllte seinen Zweck.
Ich war wach! Mein Körper war auf Alarm. Alle Gefühle verstärkt, der Körper gestrafft, zur Feder gespannt, bereit zum Sprung.

Ein Farbenspiel im Kopf, meine Stimme versagt und meine Ohren vernehmen das zufriedene Summen als Rose den Taktstock greift und ihr Instrument stimmt.
Mal kreisten die Finger auf dem Kopf, mal nur übers Band. Dann suchst sie am Schaft, umschließt ihre Hand den Kopf, bewegt sie sehr langsam hinab, pausiert einen Augenblick, zieht die Hand halb hinauf um sie erneut in Richtung der Bälle zu führen.
Ich schaffe es nicht mich zu konzentrieren.

Ständig verhaspele ich mich. Oder meine Stimme versagt oder die Betonung passt nicht. Getrieben durch ihre Hand hacke ich Endungen ab, ziehe ein Wort mal lang oder verschlucke es ganz. ER hebt und senkt sich dabei. Steht mal auf, macht sich klein, je nach dem wem meine Aufmerksamkeit gilt.

Just in dem Moment, in dem eine schwierige Passage kommt, geschrieben in geschlungener Schrift, verschnörkelte und fett konzentriere ich mich sehr, wird ER klein und Rose lässt ab.
Während sie ihre Nase putzt fordert sie mich zum Weiterlesen auf, legt sich still neben mich und lauscht.
Noch ein paar Mal darf ich die Rose spüren. Sanft drückt sie ihre Nägel gegen die Haut, zieht sie langsam hinauf, auf Schenkel und Hüfte entlang. Es fühlt sich wunderbar an, Roses Dornen zu fühlen und zu wissen: sie zeichnet mich.

Ein letztes Mal legt sie die Hand auf den Schaft. Das ER zuckt stört sie nicht. Ruhig liegt Rose da und döst.
Ich schließe das Buch, lösche das Licht, drehe mich um und schiebe meinen Po an sie. Ihre Hand auf meinen Arm döse auch ich und träume vom Geläut, vom Glockenspiel. Als Xylophon bespielt, nein zarter als Hackbrett geklopft. Die Töne gesucht, abgestimmt damit eine Melodie erklingt.

Hart ist der Schlaf, den ich finde.


Vom Rosenzüchtling


Montag, 14. Oktober 2013

Egoismus

Eng an Rose gekuschelt bemerke ich:
"Du tust mir gut."
Nicht nur ihr warmer Arm, der mich umschließt,
nicht nur ihre warme Brust an die sie mich zieht.
Auch von mir. Meine Rose im Arm zu halten, mit der Hand über ihren Rücken zu streichen. Ihre Haut zu spüren, ihre Haare zu berühren.
Sie wärmt mich auf.
Innerlich.

"War ich dir früher jemals so nah? Hatte ich dich so eng im Arm?" 'Hat Rose mir jemals so viel bedeutet?'
"Ja" meinte Rose, "zu Beginn."
Kurz überlege ich. Dann erscheint die Erinnerung.
An sie und mich. In ihrem Märchenzimmer. Eng umschlungen lagen wir da. Vereint.
Nicht Blume, nicht Rose. Sie war etwas zwischendrin. Eine Schönheit ohne Dornen, doch stachelig. In der Lage sich zu wehren, aber auf der Suche nach Schutz. Die suchte Halt, den wir beide uns gaben. Über lange Zeit.

Sie tat mir gut.
Damals, das Beste was mein bisheriges Leben mir bot.
Ich konnte genießen, von ihr Leben. Sie auch von mir.
Egoismus, auf besondere Art.

Und dann ließ ich nach.
Mehr Egoismus kam auf. Noch immer genoss ich. Doch die Stacheln mussten weg. Sie störten mich. Dazu band ich sie in ein Korsett, Familie genannt. Sie sollte stehen. Allein.
Sie brauchte mich, ich sie auch?

Irgendwann kam die Zeit, da brauchte ich sie. Und Blume war da. Schön und stark genug uns beiden halt zu geben.
Selbstverständlich für mich:
Wir sind ein Paar!

Die Zeit ging vorbei und bestärkt ging ich daraus wieder unseren, den richtigen, denn meinen Weg.
Es war gut zu Wissen, wenn etwas ist, Blume ist da.
Noch immer mit mir beschäftigt bemerkte ich kaum, wie viel Kraft es Blume gekostet hatte, sich meine Last mit aufzubürden.

Für sie begann eine schwere Zeit, in der das Schicksal weiteres Unheil aufziehen ließ.
Es saugte an ihrer Kraft, zehrte sie aus und ich lebte ein Leben fern ab von ihr.
Warum bekomme ich nicht...
Was hat sie nur...
Und weshalb ist sie ständig nur schlapp?

Ich brauchte lange um zu erkennen, meine Blume ist kaum noch. Klein und grau, kaum anzusehen.
'Ob sie mich braucht?'
Schlimm, wieviel Zeit ein Mann benötigt, sich diese Frage zu stellen.
Ich kümmerte mich. Ein klein wenig Pflege reichte aus, um in dem Grau das Saatkorn zu sehen. Es reichte aus, sie nach den Sorgen zu fragen, wodurch ihre ersten Triebe und die neue Knospe erschien.
'Wenn ich so weiter mache, kommt meine Blume zurück.'

Doch hier habe ich mich deutlich getäuscht.
Sie wusste, was mit den alten Stacheln geschah.
Sie ahnte, welche Kraft in ihr steckte.
Und sie bemerkte, was ihre Schönheit bewirkt.
Meine stachellose Blume kam nie mehr zurück.
Dafür erwuchs sie Königin der Blumen unter mir.

Zart pflegend, Schutz gebend, stützend, halten, ihren Wachstum erzeugend.
Dazu lebte wieder mein Egoismus auf. Ging es ihr gut, so eben auch mir. Je mehr ich mich bemühe, um so mehr gibt sie zurück.
Ich gab und sie wuchs zur prächtigen Rose heran, die mich bald überdeckt und meinen Halt kaum mehr braucht.


Nun liege ich bei ihr im Bett, liege in und halte sie fest in den Armen und erkenne wohin mich der Egoismus bringt.
Kein Stück weiter als zu Beginn..

Nur viel verschwendete Zeit.


Vom Rosenzüchtling