Es ist spät. Roses Aktivitäten in Richtung Ich-Gehe-Ins-Bett laufen bereits. Auch ich bereite mich darauf vor.
Ding Dong
Ein schneller Blick auf die Uhr:
23:08
Rose und ich schauen uns an. Wer kann das sein? Ihr Bruder? Um die Uhrzeit nicht. Zu früh.
Der Rest der Verwandtschaft ruft lieber erst an.
Ein Passant? Ich übe einen Vorsichtigen Blick durch die Tür: Eine Person.
So tun als sei keiner zu Haus ist nicht einfach, wenn man erst zu Schlafen gehen die Rollläden schließt. Noch sind die auf.
Unser Hund steht bereit. Er schlägt noch nicht an.
Ich öffne die Tür.
"Rufe'd se mol d'Polizei ao."
'Auch ich wünsche ihnen einen schönen späten Abend' denke ich mir beim Anblick der Frau. Mein Eindruck, sie ist ruhig und entspannt und der Blumenstrauß in ihrer Hand ist frisch jedoch mit hängendem Kopf. Den trägt sie seit langem mit sich herum.
"Warum" frage ich nach, "was ist los."
"Die machd ned uff."
'Ok. Ich kapier...'
"Seid erre halve Schdund klingl isch ezed und die machd ned uff."
Im Nachbarhaus wohnt eine ältere Frau. Was wenn sie... Besser, ich rufe an.
"I will do nai. I will schloffa."
Halt! Was war das? Droh hier Gefahr oder kommt die gute Frau einfach nicht rein.
"Zu wem wollen sie?"
"Ha d'Polizei."
Sie ist nüchtern, macht auf mich keinen verwirrten Eindruck. Sie ist so. Für sich Normal.
"Wer schläft?"
"Ha, mai Wirdsfrauu. Bei der ich wohon."
Ich bin dieser Sprache mächtig. Aus dem Bus, jedoch nicht bei mir Zuhaus.
"Und die schläft."
"Jo. Die head misch ned. Rufe se mol d'Polizei. Die müsse mich neilasse."
Ich bin erleichtert. Nichts was wirklich der Polizei bedarf. Wobei, kann ihr überhaupt geholfen werden? Ich glaube nicht.
"Was soll die Polizei machen?"
"Ha die Diaa uff."
"Das machen die nicht."
"Ich muss owwa do nai. Ich schlof do."
Inzwischen ist sie in meinem Haus und mir wird bewusst, bevor die Situation nicht geregelt ist bekomme ich sie nicht mehr raus.
"Ruffe'd se mol o."
Mach ich nicht.
"Das bringt nicht. Die kommen nicht."
"Dann de' Schlüssldienschd. Die solle kumme un uffsperre."
"Ich bestelle den nicht. Wer bestellt, bezahlt."
"Ha nä. Den bezahl iich."
Ein Blick auf den Strauß, ein Blick auf ihr Haar und dann der nächste Satz.
"Sie müssed 's nur auslege. Isch geb's ihna z'rück."
ALARM. Helfen ja. Aber gewiss nicht mit Geld.
"Welche Wohnung ist das" kommt Rose dazu.
"Ha die von Blauu."
Klar, der Tonfall unterstellt, eigentlich müssten wir das wissen.
"Die gehört Stein?"
"Ja."
Mir rollt ein solcher von der Brust. Den ruf ich an.
"Hallo Klaus, hier Paul. Entschuldige die späte Störung..."
Kurz vor halb Zwölf.
"Hier steht eine Frau, die will zu Frau Blau."
"Sag ihm" -wir sind per du? Sie auch mit ihm?- "isch wohn doch dord."
"Klaus, sie wohnt dort."
Zumindest scheint ihm das bekannt. Ich schildere ihm das Problem mit dem Schlaf und der Polizei, mit dem Schlüssel, der in der Wohnung liegt und ihrem Telefon, das zum Einen Defekt, zum Anderen die Sim-Card nicht geht.
Märchenland?
"Und was soll ich tun?"
"Hast du einen Schlüssel, damit sie in die Wohnung kommt?"
"Vielleicht. Aber nicht hier. Aber ich glaube nicht, dass der passt. Und wenn von innen der Schlüssel steckt geht es nicht. Was will sie mit der Polizei? Die macht nicht auf."
Ich hole tief Luft, rolle mit den Augen und stöhne aus: "Ich weiß."
"Und nun" fragt er mich.
"Schlüsseldienst. Machs gut" und lege auf.
Ich suche im Rechner. Ein Schlüsseldienst ist mir erst mal egal. Ich möchte meiner Telefonanlage sagen, du bleibst geheim. Wer bestellt bezahlt, da ist es am Besten erst gar nicht in Erscheinung zu treten.
Erfolglos breche ich ab. So lange sie hinter mir mit dem Blumenstrauß wedelt (zwei Blumen sowie zwei Blüten liegen inzwischen auf unserem Boden) kann ich mich eh nicht darauf konzentrieren.
Dann eine Nummer 0800. Und zuvor nur am Phone eingestellt: Nächster Anruf anonym.
"Ruf emole aan."
"Nein, nicht ich. Ich bin nicht der Auftraggeber. Ich werde nichts bezahlen."
"Jo des zahl isch."
"Das ist aber teuer."
"Waruum?"
"Nachtzuschlag. Das wird sicher Ein- Zweihundert Euro kosten."
"Ha, des laisch du mia."
"Ganz sicher nicht" und drücke ihr den Hörer in die Hand.
"Ich habe schon gewählt. Sprechen dürfen sie."
Doch nichts geschieht. Nach einer guten Minute bricht sie ab. Auch mit den nächsten zwei Nummern haben wir keinen Erfolg. Und das trotz 24h Notdienst. Kann es sein, dass die sich an der Anonymität meines Anschlusses stören?
Mir bleibt keine Wahl. Ich muss wohl tun, was die Lady von Anfang an will: d'Polizei.
Wieder stelle ich ein: Nächster Anruf anonym.
Ich wähle und übergebe den Hörer an sie.
"Ja hallo, hia schbrischd Wund. Ich kum grad von enere Fahrt z'rück, mir tut alles weheh und isch will ins Bedd..."
Muss sich der arme Mann jeden Tag solch langatmige Geschichten anhören?
Anscheinend wimmelt er ab. Bloß weil jemand schläft kommen sie nicht vorbei. Aber sie diktiert mir die Nummer - vom Schlüsseldienst.
Jetzt wird es ernst.
Nächster Anruf anonym.
Ich wähle, gebe den Hörer ab und warte gespannt.
"Wund hia hallo. Isch will ins Haus. Isch kum grad von enere lange Fahd z'rück und isch bin müd. Und mai Wirdsfrauu wachd a ned uff.. - Ne, nich mia. Ja, isch wohn da. - Isch will noch no ins Bett. - Der liegt drinn. - Das isch lea. - Nee, die SIM-Kaad isch kapudd. - Ja hia, beim Nochba. - Die wes isch ned."
Sie schaut mich an, ich weiß was kommt.
"Welche Numma hasch den?"
Ich nehme den Hörer entgegen.
"Ich bin nicht der Auftraggeber" spreche ich sofort in das Phone und vernehme danach die freundliche Stimme einer Frau.
"Ja, das ist klar. Wir benötigen nur eine Telefonnummer" es klingelt erneut an der Tür "um zurückrufen zu können."
"Moment" entgegne ich ihr.
Rose ist mit dem Hund nochmals raus, damit der nicht dauernd die Fremde bespringt.
Ich öffne und bin verwirrt.
"Klaus?"
"Bitte noch einen Moment" spreche ich ins Telefon "gerade ist der Vermieter gekommen."
"Gut, dann ist es erledigt."
"Nain!" rufe ich panisch, "bitte kurz warten." und hektisch "hast du 'nen Schlüssel" zu Klaus.
"Wenn er passt."
"Klaus, ich habe hier den Schlüsseldienst" halte ich ihm den Hörer entgegen, "kann ich dem absagen?"
"Ich weiß nicht."
Genau so etwas möchte man in so einem Moment hören.
"Wenn innen ein Schlüssel steckt."
Das Risiko gehe ich ein.
"Erst mal vielen Dank" unterhalte ich mich nun mit der freundlichen Frau.
"Gerne. Wenn noch was ist rufen sie einfach nochmal an und verweisen sie auf das erste Gespräche."
"Danke. Tschüß."
Ich bleib anonym.
Der Rest ist schnell erzählt. Klaus schließt den Haupteingang auf. Drinnen ist ein Wohnungsschlüssel versteckt. Hätte sie das ein einziges Mal erwähnt....
Klaus hätte nicht kommen gebraucht. Nur einen Nachbarn wecken dann wäre sie drin.
"Danke Klaus."
"Danke Paul" erwidert er. "Die hätte sich die Türe öffnen lassen und hinterher erzählt, der Vermieter bezahlt. Dazu hätten ich neue Zylinder gebraucht. Das war besser so.
"Gute Nacht."
"Alla, dia auch."
Vom Rosenzüchtling
herrlich :-))))
AntwortenLöschendas is ja besser als Kino *kicher